Ein
erstaunlicher und aufrüttelnder Bericht, der die Bedrohung durch
gewalttätige, rechtsextreme Gruppen in den USA untersucht, die sich
selbst als Verteidiger der Verfassung sehen, aber mit
regierungsfeindlichen, rassistischen Ideologien und Kriminalität
verbunden sind.
Der
investigative Dokumentarfilm untersucht, wie rechtsextreme Gruppen
durch den ehemaligen Präsidenten Trump zu Gewalt ermutigt wurden, wie
sich Einzelpersonen radikalisierten und wie sich die politische
Landschaft veränderte. Steht die nächste Gewalteskalation der
Rechtsextremen bereits bevor? „In den letzten Jahren haben viele dieser
rechtsextremen Gruppen und Milizen von Bürgerkrieg gesprochen, vom Sturz
der Regierung“, sagt der Reporter Adam Clay Thompson. „Diese Gruppen
sprechen von Revolution und glauben, dass wir eine tyrannische und
zutiefst korrupte Regierung haben, die Trump daran gehindert hat, die
Wahl für seine zweite Amtszeit zu gewinnen.“
Dieser aufrüttelnde
Bericht untersucht die Bedrohung durch gewalttätige rechtsextreme
Gruppen, die sich selbst als Verteidigende der US-Verfassung sehen, sich
aber gleichzeitig auf staatsfeindliche sowie rassistische Ideologien
berufen und mit der organisierten Kriminalität verbunden sind.
„Während wir über die Spaltung berichtet haben, die der ehemalige
Präsident Trump von den ersten bis zu den letzten Tagen seiner
Präsidentschaft geschürt hat, hat der jüngste Angriff auf das Kapitol
die Notwendigkeit eines Journalismus unterstrichen, der die
Machthabenden zur Rechenschaft zieht“ sagt Raney Aronson-Rath, Executive
Producer von FRONTLINE.
https://www.youtube.com/watch?v=88d6AnGaUO
https://de.wikipedia.org/wiki/Trumpismus
Trump nutzt die Frage des Wahlbetrugs als Loyalitätstest für republikanische Politiker.
Signifikanten Wahlbetrug gab es nicht, das hatte bereits einen Monat
nach der Wahl der von Trump ernannte damalige Generalstaatsanwalt der
USA, William Barr, öffentlich erklärt, der ansonsten als
ultrakonservativer Hardliner und Trump-Loyalist bekannt ist. Unzählige
unabhängige Untersuchungen kamen seitdem zu demselben Ergebnis. Dennoch
glauben einer Umfrage von Ende Dezember zufolge 71 Prozent der
Republikaner, dass die Wahl gestohlen worden sei.
Mitte Dezember veröffentlichte die Nachrichtenagentur Associated
Press das Ergebnis einer monatelangen Untersuchung in den sechs
Bundesstaaten Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania und
Wisconsin. In allen diesen Staaten hatte Joe Biden die Wahl gewonnen,
mit einem aufaddierten Stimmenvorsprung von lediglich 311 257 Stimmen.
Doch es wurden nur 475 Stimmen gefunden, bei denen Wahlbetrug vermutet
werden könnte. Darunter sind nicht nur Stimmen für Biden – und die
meisten von ihnen wurden ohnehin nicht gezählt.
In zahlreichen Bundesstaaten wurde in den vergangenen Monaten erneut
die Präsidentschaftswahl untersucht, oft auf direkten Druck von Donald
Trump hin. So in Texas, wo am 31. Dezember eine staatliche
Untersuchungskommission ihre Ergebnisse vorstellte. Sie hatte eine
Stichprobe von 3,9 Millionen abgegebenen Stimmen überprüft. Auch hier:
kein Wahlbetrug.
Das Beispiel Texas zeigt, dass es Trump längst nicht mehr darum geht,
die Wahl rückwirkend für sich zu entscheiden, sondern darum, die
Legende vom Wahlbetrug durch immer neue Untersuchungen und
Verschwörungstheorien am Leben zu erhalten. In Texas hatte er gegen
Biden gewonnen, sogar mit einem Vorsprung von fast sechs Prozentpunkten.
Trotzdem übte Trump starken Druck auf den republikanischen Gouverneur
von Texas, Greg Abbott, aus, die Wahl zu untersuchen. »Ihre Bürger
vertrauen dem Wahlsystem nicht«, schrieb er in einem offenen Brief im
September. Abbott veranlasste daraufhin eine Untersuchung. Doch bevor
diese auch nur ihre Arbeit aufnehmen konnte, diskreditierte Trump
präventiv ihre Ergebnisse: Die Untersuchung sei »schwach«, schrieb er am
1. Oktober, es brauche eine »starke und echte« Untersuchung der Wahl.
Ähnlich ging Trump in anderen Staaten vor. In Wisconsin, wo er 2020
anders als 2016 mit einem hauchdünnen Abstand von knapp 20 000 Stimmen
verloren hatte, veröffentlichte am 7. Dezember das den Republikanern
nahestehende Wisconsin Institute for Law and Liberty das Ergebnis einer
zehnmonatigen Untersuchung. Auch hier war das Ergebnis klar: »keine
Belege für manipulierte Wahlzettel oder weitverbreiteten Wahlbetrug«.
Doch auch hier hatte Trump versucht, das Ergebnis der Untersuchung
präventiv zu diskreditieren. Die Republikaner in Wisconsin würden »hart
daran arbeiten, die Wahlkorruption in Wisconsin zu verschleiern«,
schrieb er in einer Mitteilung im Juni. »Fallt nicht auf ihre Lügen
rein!« forderte er seine Anhänger auf und drohte den verantwortlichen
Republikanern damit, ihre Abwahl zu unterstützen, sollten sie nicht eine
»vollständige forensische Untersuchung« organisieren.
Wie sich Trump eine solche Untersuchung vorstellt, zeigt das
Beispiel Arizona, wo Biden die Wahl mit einer knappen Mehrheit von 10
000 Stimmen gewonnen hatte. Republikanische Abgeordnete im Senat von
Arizona gaben einer Firma namens Cyber Ninjas den Auftrag, auf Kosten
des Bundesstaats die Wahl zu untersuchen. Das Ergebnis war eine
monatelange Pseudoermittlung von »republikanischen Loyalisten und
Verschwörungstheoretikern«, die »längst jeglichen Versuch aufgegeben
hat, den Anschein zu erwecken, eine objektive Untersuchung zu sein«, wie
es die New York Times ausdrückte. Unter anderem wurden Stimmzettel nach
Bambusspuren untersucht, um die haltlose rechte Verschwörungstheorie zu
belegen, sie seien aus Asien importiert worden.
Dem Vorbild von Arizona folgten republikanische Politiker in anderen
Staaten und verfügten staatlich finanzierte Untersuchungen, mit denen
aber parteiische Akteure betraut wurden. Die Untersuchung in Wisconsin
leitet der Republikaner Michael Gableman, ein pensionierter Richter des
Verfassungsgerichts des Bundesstaats, der bereits vor über einem Jahr
öffentlich erklärt hat, die Wahl sei gefälscht worden. Gableman »traf
diesen Herbst im Rahmen seiner steuerfinanzierten Untersuchung eine
ganze Reihe von Verschwörungstheoretikern«, schrieb die Regionalzeitung
Milwaukee Sentinel Ende November, darunter den Trump-Anhänger und
Gründer der Firma My Pillow, Mike Lindell, der nach eigenen Angaben
bisher 25 Millionen US-Dollar in die landesweiten Kampagnen zur
Aufdeckung des angeblichen Wahlbetrugs investiert hat.
»Was hier passiert, ist Angst – Angst vor Donald Trump«, zitierte die
New York Times Dan Schultz, einen ehemaligen republikanischen
Bundesstaatssenator in Wisconsin. »Wir müssen den Anschein erwecken,
als würden wir etwas tun, oder wir werden von Trump und seinen
Anhängern bestraft. Es ist entsetzlich.« So nutzt Trump – den nach wie
vor eine große Mehrheit der republikanischen Wähler unterstützt – die
Frage des Wahlbetrugs als Loyalitätstest für republikanische Politiker.
Nicht alle machen dabei mit. Am 30. Dezember ernannte die
Regionalzeitung Arizona Republic »eine Handvoll Republikaner in Arizona«
zu ihren »Arizonern des Jahres 2021«. Diese hätten sich »gegen den
Gegenwind ihrer eigenen Partei gestellt und dabei das Risiko ihrer
politischen Selbstzerstörung in Kauf genommen«, indem sie es ablehnten,
sich an der Fabrikation der Wahlfälschungslegende zu beteiligen. Doch
die allermeisten republikanischen Politiker stellen Trumps Behauptung,
die Wahl sei gestohlen worden, nicht öffentlich in Frage.
Stattdessen nutzen Republikaner in zahlreichen Bundesstaaten die
geschürte Angst vor Wahlbetrug, um die Stimmabgabe stärker zu
reglementieren. Denn in den föderalen USA sind die Bundesstaaten für
Wahlen zuständig. Die Maßnahmen reichen von stärkeren polizeilichen
Wahlkontrollen – in Florida soll dafür sogar eine neue
Strafverfolgungsabteilung geschaffen werden – über eine Ausweispflicht
bei der Stimmabgabe und eine stärkere bürokratische Kontrolle der
Briefwahl. 33 derartige Gesetze in 19 Staaten seien bereits
verabschiedet, über 200 würde 2022 noch verhandelt, schrieb die New York
Times Anfang Dezember unter Berufung auf die Wahlrechtsorganisation
Voting Rights Lab. Kritiker sprechen von teilweise starken
Einschränkungen des Wahlrechts.
Wahlrechtsbeschränkungen sind in den USA politisch extrem umstritten.
Im Allgemeinen profitieren die Republikaner von einer niedrigen
Wahlbeteiligung; ihre Anhänger sind oft politisch involvierter und
gehen verlässlicher wählen. Die Demokraten warnen davor, dass vor allem
ärmere, ungebildete und von Rassismus betroffene Bevölkerungsgruppen
von den Einschränkungen betroffen seien, und unterstellen den
Republikanern einen gezielten Angriff auf die Demokratie. Sie erinnern
daran, dass das allgemeine Wahlrecht erst vor wenigen Jahrzehnten gegen
heftigen Widerstand der Republikanischen Partei durchgesetzt wurde.
Doch gehen einige Maßnahmen der Republikaner noch weiter. So könnte
das, woran Trump vor einem Jahr noch scheiterte, in Zukunft möglich
werden. »In 41 Bundesstaaten«, warnte am Samstag die Redaktion der New
York Times in einem dramatisch formulierten Meinungsartikel, »arbeiten
republikanische Gesetzgeber daran, die Ziele der Aufrührer vom 6. Januar
zu verfolgen – nicht indem sie Gesetze brechen, sondern indem sie sie
erlassen.« In zahlreichen Bundesstaaten wurden demnach bereits Gesetze
erlassen oder werden derzeit Gesetze diskutiert, die die Durchführung
von Wahlen stärkerer politischer Kontrolle unterstellen und es den
Wahlbehörden erleichtern können, ein Wahlergebnis nicht anzuerkennen.
Auch viele der Wahlbeamten, die vor einem Jahr noch dem Druck Trumps
widerstanden und das Wahlergebnis anerkannt hatten, seien »mittlerweile
aus dem Amt gedrängt und durch Personen ersetzt worden, die offen
sagen, dass die letzte Wahl manipuliert gewesen sei«.
https://jungle.world/artikel/2022/01/die-grosse-luege